Sozialgericht Aachen: Mehr Klarheit bei der sog. "Bürgerversicherung"
(Kiel) In einem soeben veröffentlichten Urteil hat sich das Sozialgericht Aachen mit verschiedenen Fragen betreffend die sog. "Bürgerversicherung" beschäftigt.
Hierbei, so der der Stuttgarter Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Erbrecht Michael Henn, Vizepräsident der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel unter Bezugnahme auf die Mitteilung des Gerichts vom 09.12.2009, Az. S 20 SO 95/08, handelt es sich um eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung für solche Personen, die ansonsten ohne Absicherung im Krankheitsfall sind und entweder zuletzt gesetzlich oder bisher überhaupt nicht krankenversichert waren.
Die sog. "Bürgerversicherung" wurde zwar bereits zum 01.04.2007 eingeführt. Sie wirft jedoch in einer Vielzahl von Fällen Fragen auf, die die Sozialgerichte zunehmend beschäftigen.
In dem Aachener Fall ging es um die Kosten mehrerer stationärer Krankenhausbehandlungen im Universitätsklinikum für einen zwischenzeitlich verstorbenen Patienten. Dieser war im Jahr 1958 für ca. drei Monate gesetzlich krankenversichert gewesen. Ob er darüber hinaus zu einem späteren Zeitpunkt gesetzlich oder privat krankenversichert war, ließ sich weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren klären. Von Ende 2005 bis Mitte 2007 war er inhaftiert. Etwa 1 1/2 Monate nach Haftentlassung erhielt er laufende Sozialhilfeleistungen. Kurz danach wurde er mehrfach als Notfall im Krankenhaus behandelt. Diese Behandlungskosten verlangte das Krankenhaus nun vom Sozialhilfeträger. Dieser lehnte die Zahlung mit dem Argument ab, der Patient sei in der Bürgerversicherung krankenpflichtversichert gewesen, weswegen die zuständige Krankenkasse zu zahlen habe.
Das Urteil des Sozialgerichts Aachen enthält zu diesem Spannungsverhältnis zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und Sozialhilferecht einige grundlegenden Aussagen, so Henn.
Im konkreten Fall war entscheidend, dass der Kläger zuletzt im Jahr 1958 gesetzlich krankenversichert war. Die Tatsache, dass sich nicht mehr aufklären ließ, ob für den Patienten danach eine andere - gesetzliche oder private - Krankenversicherung bestanden hat, geht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Zwar kann der Bezug von laufenden Sozialhilfeleistungen eine Mitgliedschaft in der Bürgerversicherung ausschließen. Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn die Pflichtmitgliedschaft in der Bürgerversicherung bereits begonnen hat, wie im Fall des später verstorbenen Patienten. Dessen Mitgliedschaft in der Bürgerversicherung hat unmittelbar im Anschluss an die Haftentlassung begonnen, da er zu dieser Zeit keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hatte. Die Bürgerversicherung ist keine Antragsversicherung, sondern beginnt unmittelbar kraft Gesetzes mit Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen. Für die Durchführung der Krankenversicherung des Patienten war die zum Verfahren beigeladene Krankenkasse zuständig, bei der er zuletzt 1958 gesetzlich krankenversichert war. Diese Krankenkasse wurde deshalb zur Erstattung der Behandlungskosten an das Krankenhaus verurteilt.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts ist die Berufung zum Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Essen zulässig.
Henn riet, das Urteil zu beachten und verwies bei Fragen u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de
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Michael Henn
Rechtsanwalt
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DASV – Vizepräsident
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