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Bundestag verabschiedet Urheberrechtsreform: Die 100,- EUR-Abmahnung kommt

Der Deutschen Bundestag hat gerade das Gesetz zur Umsetzung der EU-Durchsetzungs-Richtlinie verabschiedet. Das Gesetz erleichtert den Kampf gegen Produktpiraterie und stärkt damit das geistige Eigentum.

"Der Schutz von kreativem Schaffen ist gerade für die Deutsche Wirtschaft, die sich in einem rohstoffarmen Umfeld behaupten muss, von herausragender Bedeutung. Produktpiraterie nimmt ständig zu, richtet beträchtliche wirtschaftliche Schäden an und vernichtet Arbeitsplätze. Gefälschte Produkte können auch ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen, zum Beispiel bei Ersatzteilen oder Medikamenten. Daher muss der Produktpiraterie auf vielfältige Weise begegnet werden.

Ein Mittel ist die Verbesserung des rechtlichen Instrumentariums", erläuterte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

„Für die Verbraucherinnen und Verbraucher bringt das Gesetz ebenfalls eine ganz wesentliche Verbesserung: Mit der Begrenzung des Kostenerstattungsanspruchs auf 100 Euro für die erste anwaltliche Abmahnung stellen wir sicher, dass bei der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen nicht über das Ziel hinausgeschossen wird. Wer keine geschäftlichen Interessen verfolgt, ist künftig vor überzogenen Abmahnkosten besser geschützt", so Zypries weiter.

Das Gesetz setzt die Richtlinie 2004/48/EG durch eine Novellierung von mehreren Gesetzen zum Schutz des geistigen Eigentums um: Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, Markengesetz, Halbleiterschutzgesetz, Urheberrechtsgesetz, Geschmacksmustergesetz, Sortenschutzgesetz werden weitgehend wortgleich geändert. Ferner passt das Gesetz das deutsche Recht an die neue EG-Grenzbeschlagnahme-Verordnung an.

Diese Verordnung sieht ein vereinfachtes Verfahren zur Vernichtung von Piraterieware nach Beschlagnahme durch den Zoll vor. Darüber hinaus enthält das Gesetz eine Anpassung an eine EG-Verordnung zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel und schließt hinsichtlich der unberechtigten Verwendung von geographischen Herkunftsangaben eine Strafbarkeitslücke.

Zum Inhalt des Gesetzes im Einzelnen:

Abmahnung bei Urheberrechtsverletzungen
Das Gesetz verbessert die Situation von Verbraucherinnen und Verbrauchern, die sich hohen Rechnungen für eine anwaltliche Abmahnung wegen einer Urheberrechtsverletzung ausgesetzt sehen. Künftig sollen bei einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs die erstattungsfähigen Anwaltsgebühren für die Abmahnung nicht mehr als 100 Euro betragen.

Beispiel:
Die Schülerin S (16 Jahre) hat auf ihrer privaten Homepage einen Stadtplanausschnitt eingebunden, damit ihre Freunde sie besser finden. Dies ist eine Urheberrechtsverletzung (§§ 19a, 106 UrhG). Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt. Eine Kanzlei hat die Schülerin abgemahnt, die Abgabe einer Unterlassungserklärung gefordert und als Anwaltshonorar einen Betrag von 1.000 € gefordert.

Künftig kann die Kanzlei für ihre anwaltlichen Dienstleistungen nur 100 Euro von S erstattet verlangen, wenn es sich um einen einfach gelagerten Fall mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung handelt. Unberührt von dieser Begrenzung bleibt der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten, also etwa dem Rechtsinhaber. Bei den übrigen Schutzrechten wie dem Marken- oder Patentrecht ist diese Ergänzung nicht erforderlich, da hier Abmahnungen ohnehin nur ausgesprochen werden können, wenn das Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt wurde.

Auskunftsansprüche
Bereits heute gibt es einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch des Rechtsinhabers gegen denjenigen, der geistiges Eigentum verletzt (z. B. § 101a UrhG).

Sehr häufig liegen die Informationen, die erforderlich sind, um den Rechtsverletzer zu identifizieren, jedoch bei Dritten (wie z.B. Internet-Providern oder Spediteuren), die selbst nicht Rechtsverletzer sind. Künftig soll der Rechtsinhaber unter bestimmten Bedingungen auch einen Auskunftsanspruch gegen diese Dritten haben. Der Rechtsinhaber soll damit die Möglichkeit erhalten, den Rechtsverletzer mit zivilrechtlichen Mitteln zu ermitteln, um so seine Rechte gerichtlich besser durchsetzen zu können. Voraussetzung für den Auskunftsanspruch ist u.a., dass der Rechtsverletzer im gewerblichen Ausmaß gehandelt hat. Ein Zugriff auf die sogenannten Vorratsdaten findet für zivilrechtliche Auskunftsansprüche nicht statt.

Beispiele:
1. Bei einem Spediteur werden mehrere Container mit gefälschten Markenturnschuhen gefunden. Bei einer solchen „offensichtlichen Rechtsverletzung“ kann jetzt auch der Dritte, d.h. der Spediteur, auf unverzügliche Auskunft über die „Herkunft und den Vertriebsweg“ der Waren in Anspruch genommen werden.

2. Der Musikverlag M entdeckt, dass jemand komplette Musikalben einer bei ihm unter Vertrag stehenden Künstlerin im Internet zum Download anbietet. Außerdem stellt M durch Einsichtnahme in die Dateiliste des Anbieters A fest, dass auch noch zahlreiche weitere Alben anderer Künstler angeboten werden.

Der Name des Anbieters dieser Musikstücke ist dabei nicht ersichtlich, M kann lediglich die Internet-Protokoll-(IP)-Adresse erkennen, die der Computer des Download-Anbieters verwendet. Diese IP vergibt der Internetzugangsvermittler des A (sein Acces-Provider), wenn A mit seinem Computer online geht. M kann neben der IP-Adresse von A auch erkennen, über welchen Provider er die Daten ins Netz stellt. Von diesem möchte M nun wissen, welcher Kunde die fragliche IP-Adresse benutzt hat.

Bisher darf der Provider diese Informationen nicht an Private herausgeben. M muss stattdessen Strafanzeige erstatten und ist darauf angewiesen, dass die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren einleitet und kraft ihres strafprozessualen Auskunftsanspruches beim Provider die Information einholt, welcher Internet-Nutzer die fragliche IP-Adresse benutzt hat.

Erst wenn M in dem Strafverfahren Akteneinsicht erhalten hat, erfährt er das Ergebnis dieser Abfrage und weiß dann, gegen wen er seine zivilrechtlichen Ansprüche geltend machen kann. Künftig kann M bei einer Klage vor dem Zivilgericht auf Unterlassung oder Schadenersatz beantragen, dass dem Provider eine Auskunftsbefugnis erteilt wird.

M muss hierzu gegenüber dem Gericht glaubhaft machen, dass er Inhaber des Urheberrechts ist, das in gewerbsmäßiger Weise unter einer bestimmten IP-Adresse verletzt wurde. Das Gericht erlässt eine Anordnung und der Provider erteilt M daraufhin Auskunft über den Namen des Verletzers. Nun kann M seine zivilrechtlichen Ansprüche – ohne Umweg über das Strafverfahren - gegenüber dem Verletzer vor dem Zivilgericht geltend machen. M erstattet dem Provider die für die Auskunft entstandenen Kosten und macht sie gegenüber dem Verletzer als Schaden geltend.

Nach dem Gesetz sind Auskunftsansprüche gegen Dritte nicht nur dann vorgesehen, wenn bereits ein gerichtliches Verfahren eingeleitet ist. Schon im Vorfeld, wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich ist, hat der Berechtigte künftig einen Auskunftsanspruch. Damit kann derjenige, dessen Rechte verletzt werden, leichter herausfinden, gegen wen er überhaupt gerichtlich vorgehen muss. Das war bislang oft schwer zu ermitteln, schließlich kann der Kläger seine Klage nicht gegen „unbekannt“ richten.

Der Auskunftsanspruch besteht allerdings im Einklang mit der Richtlinie nur dann, wenn auch die zugrundeliegende Rechtsverletzung im gewerblichen Ausmaß begangen wurde.

Gesondert geregelt wird der Fall, dass der Dritte die begehrte Auskunft nur unter Verwendung von so genannten Verkehrsdaten der Telekommunikation erteilen kann. Dies sind Daten zu den Umständen der Kommunikation wie etwa die Zuordnung einer Nummer zu einem Anschlussinhaber oder die Zeitdauer, wann zwischen zwei Anschlüssen eine Verbindung bestand. Unter engen Voraussetzungen soll zukünftig auch der Zugriff auf diese Verkehrsdaten möglich sein. Diese Auskunft darf allerdings nur aufgrund einer richterlichen Anordnung erteilt werden.

Schadenersatz
Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung wird klargestellt, dass nach Wahl des Verletzten neben dem konkret entstandenen Schaden auch der Gewinn des Verletzers oder eine angemessene fiktive Lizenzgebühr – d. h. das Entgelt, das für die rechtmäßige Nutzung des Rechts zu zahlen gewesen wäre – als Grundlage für die Berechnung des Schadenersatzes dienen können.

Beispiel:
Ein Fälscher ahmt ein patentgeschütztes Medikament nach. Der Patentinhaber verlangt Schadenersatz. Da es für ihn schwierig ist, seinen konkreten Schaden zu berechnen, fordert er vom Fälscher eine angemessene Lizenzgebühr.

Die Höhe der Lizenzgebühr bemisst sich danach, was der Patentinhaber erhalten hätte, wenn er mit demjenigen, der das Patent verletzt hat, vorher einen Lizenzvertrag über die Verwendung des Patents abgeschlossen hätte. Stattdessen kann der Patentinhaber aber auch von dem Fälscher den Gewinn verlangen, den dieser durch die Benutzung des Patents erzielt hat. Der Rechtsinhaber erhält ferner bei offensichtlichem oder festgestelltem Schadenersatzanspruch einen Anspruch gegen den Verletzer auf Vorlage von Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen, wenn ohne diese Unterlagen die Erfüllung von Schadenersatzansprüchen fraglich wäre.

Hierdurch kann er Erkenntnisse gewinnen, um seine Ansprüche erfolgreich durchzusetzen.

Vorlage und Sicherung von Beweismitteln
Wenn ein Schutzrecht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verletzt ist, hat der Rechtsinhaber ferner einen Anspruch gegen den Verletzer auf Vorlage von Urkunden und die Zulassung der Besichtigung von Sachen, der über die nach der Zivilprozessordnung bereits bestehenden Möglichkeiten hinausgeht. Gegebenenfalls erstreckt sich der Anspruch auch auf die Vorlage von Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen.

Diese Beweismittel können zur Abwendung der Gefahr ihrer Vernichtung oder Veränderung auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung gesichert werden. Soweit der Verletzer geltend macht, dass es sich um vertrauliche Informationen (z. B. Geschäftsgeheimnisse) handelt, trifft das Gericht die erforderlichen Maßnahmen, um die Vertraulichkeit zu sichern.

Grenzbeschlagnahmeverordnung
Die EU-Grenzbeschlagnahmeverordnung, deren Vorschriften im Allgemeinen unmittelbar anzuwenden sind, sieht Maßnahmen zum Schutz des geistigen Eigentums unmittelbar an den Außengrenzen der EU vor.

Damit soll verhindert werden, dass Waren, die im Verdacht stehen, Rechte des geistigen Eigentums zu verletzen, überhaupt in die EU eingeführt werden können. Diese Verordnung regelt auch die Vernichtung beschlagnahmter Piraterieware. Die Anwendbarkeit dieser Regelung hängt jedoch davon ab, dass die Mitgliedstaaten sie billigen, d. h. in ihr Recht übernehmen.

Beispiel:
Der Hersteller von Automobilersatzteilen H stellt fest, dass in Deutschland vermehrt Fälschungen seiner Produkte auftauchen, die sein Recht an dem Design, seine Marke oder ein Patent verletzen. In einem Antrag teilt er der Zollbehörde (in Deutschland der Zentralstelle für gewerblichen Rechtsschutz in München) seine geistigen Eigentumsrechte mit.

Bei einer Einfuhrkontrolle eines Containerschiffs im Hamburger Hafen kommt der Verdacht auf, dass es Waren geladen hat, die eines dieser Schutzrechte verletzen. Der Zoll hält die Ware zurück und informiert H sowie den Eigentümer der Ware. Gegenwärtig kann die beschlagnahmte Ware nur vernichtet werden, wenn die Verletzung des Rechts gerichtlich festgestellt wurde. Die neue Grenzbeschlagnahmeverordnung sieht ein vereinfachtes Verfahren vor, wonach die Vernichtung auch dann möglich ist, wenn der Verfügungsberechtigte nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht. Sein Schweigen gilt dann als Zustimmung. Diese Regelung, die in Deutschland früher schon einmal gegolten hat, ist in den Mitgliedstaaten jetzt aber nur anwendbar, wenn das jeweilige innerstaatliche Recht dies ausdrücklich so bestimmt. Das heute verabschiedete Gesetz sieht dies vor.

Schutz geographischer Herkunftsangaben
Die zivilrechtliche Durchsetzung von Schutzrechten wird auch für geographische Herkunftsangaben in der beschriebenen Weise erleichtert. Außerdem soll durch die Änderung des Markengesetzes ein strafrechtlicher Schutz für solche geographische Angaben und Ursprungsbezeichnungen geschaffen werden, die auf europäischer Ebene nach der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. EU Nr. L 93 S. 12) geschützt sind.

Dazu gehören die Bezeichnungen zahlreicher landwirtschaftlicher Produkte wie z. B. die berühmten „Spreewälder Gurken“. Bisher gab es einen solchen Schutz nur für die nach rein innerstaatlichem Recht geschützten Bezeichnungen.

Urteilsbekanntmachung
Der Rechtsinhaber kann schon jetzt bei der Verletzung eines Urheber- oder Geschmacksmusterrechtes die Veröffentlichung des Gerichtsurteils beantragen. Diese Möglichkeit wird auf alle Rechte des geistigen Eigentums erstreckt.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums v. 11.04.2008 (User Einsendung)
 
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