Diskriminierende Bluttests bei Einstellung
Einstellungsuntersuchungen können diskriminierungsrelevant sein
Wie jüngst bekannt wurde, werden Bewerber des Autobauers Daimler, des Medienriesen Axel Springer und sogar öffentlich–rechtlicher Sendeanstalten vor einer etwaigen Einstellung mittels Blutuntersuchung auf „Herz und Nieren“ geprüft. Und zwar pauschal, d.h. auch dann, wenn für den in Rede stehenden Arbeitsplatz keine bestimmte gesundheitliche Eignung erforderlich ist. „Abgesehen von moralischen Bedenken kann ein solches Vorgehen vor dem Hintergrund des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) für Arbeitgeber teuer werden“, warnt Rechtsanwältin Stephanie Musiol von der Kanzlei BETHGE.REIMANN.STARI in Berlin.
Eine Einstellungsuntersuchung, welche nicht gesetzlich vorgeschrieben oder zum Schutz anderer Personen erforderlich ist, muss, um gerechtfertigt zu sein, im berechtigten Interesse des Arbeitgebers liegen. „Besonders hohe Hürden sind hierbei an die Erforderlichkeit einer Blutuntersuchung zu stellen“, erläutert Rechtsanwältin Musiol. „ Denn eine solche greift massiv in das Persönlichkeitsrecht und die körperliche Unversehrtheit eines Bewerbers ein.“ Es gelten hierbei dieselben Grundsätze wie beim Fragerechts des Arbeitgebers nach einer Krankheit oder (Schwer-) Behinderung. Wonach der Arbeitgeber selbst nicht fragen darf, soll er auch nicht auf einem „Umweg“ über Ärzte oder Gutachter erforschen können. Danach ist eine Blutuntersuchung, die Auskunft über den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers geben soll, nur dann zulässig, wenn eine etwaige Krankheit bzw. Behinderung die vertragsgemäße Arbeitsleistung auf Dauer oder in regelmäßig wiederkehrenden Abständen unmöglich machen würde. „Ein solcher Grund dürfte bei pauschalen Blutuntersuchungen jedoch regelmäßig nicht vorliegen“, so Musiol.
Auf den ersten Blick tangiert die Frage nach dem Gesundheitszustand den Anwendungsbereich des AGG nicht, da hier insoweit allein das Merkmal „Behinderung“ diskriminierungsrelevant ist. Schwierig ist laut Anwältin Musiol jedoch die Abgrenzung von Behinderung und Krankheit im Einzelfall: „Auch chronische Erkrankungen können dem weit zu verstehenden Begriff der Behinderung unterfallen“.
Praktisch relevant werden die Rechtsfolgen einer Verletzung des AGG bei der Nichteinstellung eines Bewerbers. Gestattet die Rechtsprechung dem Arbeitnehmer auf eine unzulässige Frage zu lügen, ist dies bei einer Blutuntersuchung augenscheinlich nicht möglich. Der Bewerber kann die Zustimmung natürlich verweigern. was regelmäßig jedoch den Verlust sämtlicher Einstellungschancen bedeuten dürfte. „Erhält aber beispielsweise ein chronisch kranker Bewerber, nachdem er sich dem geforderten Bluttest unterzogen hat, eine Absage, genügt das für die Darlegung einer Benachteiligung nach dem AGG“, mahnt Musiol. „Dann muss der Arbeitgeber beweisen, dass die Absage auf andere Gründe zurückzuführen ist. Dies dürfte insbesondere dann schwer fallen, wenn die Auswahl bereits getroffen und die Einstellung nur noch von dem Untersuchungsergebnis abhängig gemacht wurde“.
Zwar sieht das AGG keinen Einstellungsanspruch, wohl aber einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers vor. Die Besonderheit hierbei ist, dass der Bewerber auch dann einen Schadensersatzanspruch geltend machen kann, wenn er selbst bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. „Um diesen Risiken aus dem Weg zu gehen, sollten Arbeitgeber daher bis zu einer Klärung durch die Rechtsprechung Einstellungsuntersuchungen nur dann vornehmen, wenn dies für die Ausübung der Tätigkeit zwingend erforderlich ist“, empfiehlt Rechtsanwältin Musiol, „in allen anderen Fällen könnte hierdurch eine Benachteiligung indiziert sein, welche die Gefahr einer Schadensersatzforderung nach sich zieht.“.
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Rechtsanwältin Stephanie Musiol, LL.M
Rechtsanwalt Glenn Dammann
- Fachanwalt für Arbeitsrecht -
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