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Christian Hemmer
Kirstein & Selders
Goldbergstr. 84
45894 Gelsen­kirchen


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Schadensersatz bei zerstörter Brille: – Ist ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen?

Wird eine gebrauchte Sache nach einem Schadensfall durch eine neue Sache ersetzt, oder durch den Einbau von Neuteilen repariert, kann hierdurch eine Werterhöhung eintreten. Diese Werterhöhung muss sich ein Geschädigter gegebenenfalls anrechnen lassen, da sein Schaden zwar ausgeglichen, er durch das Schadensereignis aber nicht bereichert werden soll.

Eine solche Anrechnung findet folglich dann statt, wenn eine messbare Vermögensvermehrung durch die Schadensbeseitigung bewirkt wurde, sich diese Werterhöhung für den Geschädigten wirtschaftlich günstig auswirken und der Vorteilsausgleich dem Geschädigten zumutbar ist. Häufiger Anwendungsfall der Anrechnung einer Wertsteigerung einer Sache nach Schadensbeseitigung ist die Reparatur eines Kfz. Werden hier nach einem Verkehrsunfall neue Teile eingebaut, die z.B. eine längere Lebensdauer als die alten Teile haben und das Kfz hierdurch aufwerten, so wird sich der Geschädigte diese Aufwertung seines Fahrzeugs anrechnen lassen müssen. In der Praxis bedeutet dies, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung die von ihr zu zahlende Entschädigungssumme für die Reparaturkosten um die eingetretene Wertsteigerung kürzen wird, was als „Abzug neu für alt“ bezeichnet wird.

Streitig ist jedoch, ob ein solcher Abzug auch dann vorgenommen werden kann, wenn bei einem Unfallgeschehen die Brille eines Geschädigten zerstört wird. Nach Ansicht des Amtsgericht Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Urteil vom 01.12.1995 – Az.: 18 C 336/95) liegen die Voraussetzungen für den Abzug einer Werterhöhung auch in einem solchen Fall vor. Eine Vermögensvermehrung sei in dem konkret vom Gericht zu entscheidenden Fall darin zu sehen, dass der Geschädigte eine neue Brille anstelle einer drei Jahre alten Brille erhalten habe. Damit würde er sich die Kosten einer demnächst anzuschaffenden Brille ersparen.

Vollkommen anders hingegen bewertete das Amtsgericht Montabaur diese Angelegenheit in einem von ihm am 25.09.1997 entschiedenen Rechtsstreit (Az.: 10 C 436/97). Das Gericht wies in seinem Urteil darauf hin, dass durch die Schadensbeseitigung eine messbare Vermögensmehrung bei dem Geschädigten eingetreten sein müsse. Eine Brille unterliege jedoch kaum einer Abnutzung. Sie erfülle für ihren Träger über Jahre hinaus unverändert die gleiche Funktion. Im Übrigen gäbe es für gebrauchte Brillen keinen Markt. Der verbleibende Wert sei daher immer nahezu Null, gleichgültig, ob die Brille wenige Tage nach dem Kauf oder erst nach vielen Jahren infolge Beschädigung nicht mehr genutzt werden könne. Die Anschaffung der neuen Brille wirke sich daher für den Geschädigten wirtschaftlich in keiner Weise vorteilhaft aus. Dem schloss sich mit gleicher Begründung auch das Amtsgericht Arnstadt in seinem Urteil vom 06.09.1999 (Az.: 2 dC 912/ 98) an. Zudem hielt das Amtsgericht Arnstadt selbst dann keine messbare Vermögensmehrung für gegeben, wenn der Geschädigte sich wegen seiner leicht veränderten Sehkraft ohnehin neue Brillengläser angeschafft hätte.

Das Amtsgericht St. Wendel (Urteil vom 26.04.2000 - Az.: 4 C 98/00) folgte dieser Begründung ebenfalls und führte weiterhin aus, dass eine Vermögensmehrung nicht messbar sei, weil objektiv dazu feststehen müsse, wie lange der Geschädigte die beim Unfall zerstörte Brille tatsächlich verwendet hätte. Wie lange Brillen tatsächlich getragen würden, sei objektiv jedoch nicht festlegbar. Ein natürlicher Verschleiß sei bei normalem Tragen einer Brille demgegenüber nicht gegeben, so dass man zwar von einer durchschnittlichen Tragedauer einer Brille ausgehen könne, seitens des Geschädigten jedoch nicht von einer durchschnittlichen Tragedauer ausgegangen werden müsse, sondern von der beim Geschädigten individuellen Tragedauer, die allein von seinem Willen abhängig sei. Eine messbare Vermögensmehrung beim Geschädigte sei daher nicht vorhanden, weil dieser seine Brille grundsätzlich lebenslang hätte tragen können, so dass sich der Geschädigte keinen Abzug "neu für alt" anrechnen lassen müsse.

Eine gewisse Einschränkung demgegenüber machte das Amtsgericht Weinheim (Urteil vom 8. Januar 2003 – Az.: 2 C 365/02). Dieses hatte nicht über die Neuanschaffung einer kompletten Brille, sondern lediglich der Gläser zu entscheiden. Das Gestell sollte weiter genutzt werden. Zwar nahm das Gericht in seinem Urteil auch Bezug auf das Urteil des Amtsgerichts Arnstadt und wies einen Abzug neu für alt zurück, stellte aber dar, dass die Angelegenheit gegebenenfalls dann anders zu beurteilen sein könnte, wenn die Gläser bereits stark abgenutzt gewesen wären.

Somit scheint die Tendenz in der Rechtsprechung dahin zu gehen, einen Abzug neu für alt bei der Zerstörung einer Brille nicht anzunehmen. Daher sollten Sie, wenn Sie einen Schaden an einer Brille gegenüber einer gegnerischen Versicherung geltend machen, auf die vorgenannte Urteile Bezug nehmen und auf die Auszahlung der vollständigen Schadenssumme bestehen. Bei einer gerichtlichen Geltendmachung solcher Ansprüche dürfen Sie jedoch nicht vergessen, dass ein in Ihrem Fall entscheidendes Gericht zwar die in den vorgenannten Urteilen entwickelten Grundsätze aufnehmen kann, letztlich aber nicht an diese Urteile gebunden ist. Von einer Entscheidung in Ihrem Sinne kann daher trotz dieser Urteile leider nicht ohne weiteres ausgegangen werden.

Christian Hemmer
Rechtsanwalt

 
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