Fallstricke bei der Bildung einer Gemeinschaftspraxis
von Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht Sabrina Rokuss
Vor dem Hintergrund der Entwicklungen im Bereich des Vertragsarztrechts wächst zunehmend der wirtschaftliche Druck auf viele Inhaber von Einzelpraxen mit hohem Kassenpatientenanteil. Um weiterhin wirtschaftlich mithalten zu können, geht der Trend daher deutlich zu der Kooperation mit anderen Ärzten, insbesondere durch die Aufnahme weiterer (meist jüngerer) Kollegen in die bestehende Praxis durch Bildung einer so genannten Gemeinschaftspraxis.
Derartiges geschieht jedoch häufig ohne Hinzuziehung eines Anwalts und Steuerberaters. Viele Ärzte erstellen vielmehr -zumeinst um Beratungskosten zu sparen -die notwendigen Gemeinschaftspraxisverträge selbst; sei es, dass sie auf gängige Muster in einschlägigen Veröffentlichungen zurückgreifen, sei es, dass sie den Gemeinschaftspraxisvertrag eines Kollegen übernehmen, denn schließlich hatte dieser ja eine ähnliche Situation. Diese zunächst scheinbar Kosten sparende Entscheidung kann jedoch in den folgenden Jahren sehr teuer werden und die vermeintlich ersparten Kosten um ein Vielfaches übersteigen.
A.
Wichtige Eckpunkte eines Gemeinschaftspraxisvertrages
Hintergrund hierfür ist, dass die wesentlichsten Punkte eines solchen Gemeinschaftspraxisvertrages
wie etwa die rechtlichen und steuerlichen Aspekte bei der Form der Gründung der Gemeinschaftspraxis, die Gewinnverteilung und auch die Regelungen für eine etwaige Auseinandersetzung der Praxis
für den durchaus zu berücksichtigenden Fall, dass sich die Partner nicht verstehen -unbedingt maßgeschneidert auf die jeweiligen Partner der neuen Gemeinschaftspraxis abzustimmen sind. Es ist nämlich ein unter Ärzten scheinbar weit verbreiteter Irrtum, dass die Bildung einer Gemeinschaftspraxis immer gleich vonstatten geht.
1.Demgegenüber ist es vielmehr so, dass bereits bei der Gründung der Seniorpartner die Frage stellen muss, was er eigentlich will:
Will er die Hälfte seiner Einzelpraxis verkaufen mit der Folge der vollen Versteuerung oder SRbdAufsätze70723FallstrickeGempraxis.doc
will er das Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) nutzen und die Einzelpraxis steuerneutral einbringen (was natürlich gestaltet werden muss und weitergehende Regelungen im Gemeinschaftspraxisvertrag zur Folge hat)?
Der Juniorpartner wiederum stellt sich im gleichen Zusammenhang die Frage, wie er den Einstiegspreis in die Praxis finanzieren kann und ob sich dies für ihn liquiditätsschonend darstellen lässt.
2.Die Richtung, in die diese erste Weiche gestellt wird, ist dann wiederum wegweisend für die weiter folgenden und entscheidenden Fragen zwischen den Parteien, wie etwa die der Gewinnverteilung. Auch im Zusammenhang mit der Gewinnverteilung gibt es nämlich verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung, wobei die bereits erwähnte Form der Gründung sowie weiter die Umsatzbeiträge der einzelnen Partner und auch die Qualifikation und weitere Entwicklung des Neupartners zu berücksichtigen sind.
3.Auch die Beteiligung des Neupartners am Gesellschaftsvermögen ist ein Vertragsbestandteil, der besonderer Beachtung bedarf. Erhält nämlich der Seniorpartner das ausschließliche Sagen in der Gesellschaft und wird gleichzeitig der Juniorpartner am Gewinn und Verlust der Gesellschaft und am Gesellschaftsvermögen nicht in einer adäquaten Form beteiligt, kann diese Ausgestaltung der Gemeinschaftspraxis sogleich mehrere unangenehme Folgen für beide Partner nach sich ziehen: -Zum einen kann die turnusmäßige Überprüfung der Sozialversicherungsanstalten ergeben, dass der Neupartner lediglich als angestellter Arzt zu werten ist, was empfindliche Nachzahlungen des Seniorpartners an Sozialversicherungsbeiträgen für den Neupartner zur Folge hat.
Zum anderen ist diese Konstellation jedoch auch ein Ansatzpunkt für die Staatsanwaltschaft. Handelt es sich nämlich bei dem Neupartner nur einen faktisch angestellten Arzt, rechnen beide Partner jedoch gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) wie Gemeinschaftspraxismitglieder ab, so entsteht hierdurch ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Vorteil, der als Kassenarztbetrug gewertet werden kann.
4.Darüber hinaus wird in der ersten Euphorie der Gründung der Gemeinschaftspraxis der Fall nicht vorempfunden, dass sich die neuen Partner der Gemeinschaftspraxis, die sich zum Zeitpunkt der Gründung oftmals erst wenige Wochen oder Monate kennen, im weiteren Verlauf zerstreiten und eine Trennung unumgänglich wird. Der Seniorpartner wird bei einer solchen Konstellation naturgemäß ein starkes Interesse daran haben, die Praxis auf jeden Fall, sei es als Einzelpraxis oder mit einem neuen Partner, fortführen zu können. Der Neupartner hingegen wird bei dieser Konstellation einerseits ein Interesse daran haben, seinen Kassenarztsitz weiter verwenden zu können, außerdem wird er ferner daran interessiert sein, seinen finanziellen Einsatz, den er in die Praxis oder an den Seniorpartner geleistet hat, wieder zu bekommen. Der Gemeinschaftspraxisvertrag sollte daher eine ausgewogene Auseinandersetzungs- und Abfindungsregelung enthalten, die die Interessen beider Partner berücksichtigt. Eine solch ausgewogene Regelung ist jedoch mit einem Mustervertrag nicht zu erreichen. Bei der Bildung einer Gemeinschaftspraxis übersehen viele Ärzte, dass die Gründung einer solchen, nicht nur die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist, sondern durchaus vergleichbar ist mit der wirtschaftlichen und finanziellen Bindung, die man bei der Eheschließung eingeht. Auch Ehepartnern rät man, dass diese in Zeiten des gegenseitigen Verständnisses ihre wirtschaftlichen Vermögensverhältnisse vertraglich regeln. Dies sollte bei der Gründung einer Gemeinschaftspraxis umso mehr gelten, denn die Partner der Gemeinschaftspraxis haben im Gegensatz zu Ehepartnern keine emotionale Bindung zueinander und kennen sich oftmals erst kurze Zeit.
B.
Folgen einer Nichtberatung
Welche fatalen Folgen es für die Beteiligten haben kann, wenn eine umfassende Beratung im Vorfeld nicht erfolgt ist, verdeutlich das nachfolgende Beispiel:
Ein Internist, der im ländlichen Raum eine Einzelpraxis betrieb, gelangte zu der Auffassung, dass er einen in etwa gleichaltrigen Kollegen, der das internistische Spektrum der Behandlung durch seine fachliche Ausrichtung erweitern konnte, mit in die Einzelpraxis aufnehmen und mit diesem eine Gemeinschaftspraxis bilden wollte. Die beiden Ärzte, die typischerweise mit der medizinischen Neuausrichtung der Praxis vollauf beschäftigt waren, ließen sich nicht juristisch beraten, sondern tauschten sich mit Kollegen aus, die ebenfalls zwei Jahre zuvor eine Gemeinschaftspraxis gebildet hatten. Senior- und Neupartner vereinbarten, dass der Seniorpartner nicht die Hälfte seiner Einzelpraxis an den Neupartner veräußern sollte. Vielmehr sahen sie vor, dass der Neupartner lediglich die Hälfte der materiellen Anlagegüter zum Buchwert erwarb. Die immateriellen Werte (also die Patientenkarteien) sollte der Neupartner nicht käuflich erwerben. Weiter sahen die Partner vor, dass der Seniorpartner quasi zum Ausgleich für die ersten acht Jahre der Zusammenarbeit einen so genannten Gewinnvorab erhalten sollte. Diese Regelung sah vor, dass vom erzielten Gewinn der Gemeinschaftspraxis zunächst der Seniorpartner einen Betrag in Höhe von rund 40.000 erhalten und der danach verbleibende Gewinn unter den Partnern zu je 50 % geteilt werden sollte.
Das böse Erwachen kam vier Jahre später bei der ersten Betriebsprüfung der Gemeinschaftspraxis. Der Betriebsprüfer qualifizierte den gesamten Gewinnvorab des Seniorpartners für die vereinbarten acht Jahre unter Berufung auf ein rechtskräftiges Urteil des Finanzgerichts München aus dem Jahre 1989 als Veräußerungsgewinn für das Jahr der Bildung der Gemeinschaftspraxis. Als Folge hiervon sollte der Seniorpartner für das Jahr der Bildung der Gemeinschaftspraxis den Gewinnvorab insgesamt als Veräußerungspreis versteuern und eine Steuernachzahlung in Höhe von rund 160.000 leisten. Hintergrund hierfür war, dass der Seniorpartner nach Auffassung der Betriebsprüfung von seinem künftigen Mitgesellschafter, dem Neupartner, eine Zuzahlung erhalten hatte, die nicht Betriebsvermögen der Personengesellschaft wurde. Die Betriebsprüfung schloss sich damit den Ausführungen des Finanzgerichts München an, wonach es für die steuerliche Beurteilung keinen Unterschied machen könne, ob die Gesellschafter einen ratenweise zu entrichtenden Veräußerungspreis festlegen oder, ob die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag eines im Voraus fixierte Gewinnerhöhung zu Lasten des Gewinnanteils des Neupartners vereinbaren.
In mühevollen Verhandlungen mit dem Finanzamt konnten die dann eingeschalteten rechtlichen und steuerlichen Berater des Seniorpartners einen Vergleich mit dem Finanzamt schließen, der jedoch den Seniorpartner weiterhin zu einer Steuerzahlung im nahezu sechsstelligen Bereich verpflichtete.
Diese fatale Folge hätte bei einer gründlichen Beratung im Vorfeld der Gründung der Gemeinschaftspraxis im Zusammenhang mit der Erstellung des Gemeinschaftspraxisvertrages verhindert werden können. Die Einbringung der ehemaligen Einzelpraxis in die Gemeinschaftspraxis und die Frage, wie derartiges zu vergüten ist, sollte unbedingt durch rechtliche und auch steuerliche Berater überprüft werden. Gewinnvorabmodelle sind durchaus möglich; sie müssen jedoch nicht nur auf die tatsächliche Situation angepasst werden, sondern auch rechtlich und steuerlich richtig strukturiert und überprüft werden.
Die Autorin ist Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V.
Für Rückfragen steht Ihnen die Autorin gerne zur Verfügung:
Sabrina Rokuss
Rechtsanwältin/Fachanwältin für Steuerrecht
Nibelungenplatz 3
60318 Frankfurt am Main
Telefon 0 69 / 90 55 99 3
E-mail: s.rokuss@mtjz.de www.rokuss.de
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