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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Zu den Anforderungen an die Darlegung des Erwerbsschadens bei selbständig tätigen Handwerkern
OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.06.2024 – 7 U 10/24
1. Bei der Feststellung des Verdienstausfallschadens von selbständig Tätigen kommen dem geschädigten im Rahmen der erforderlichen Prognose der hypothetischen Geschäftsentwicklung Darlegungs- und Beweiserleichterungen nach § 252 BGB, § 287 ZPO.
2. Es bedarf grundsätzlich konkreter Anhaltspunkte für die Schadensermittlung, um eine ausreichende Grundlage für die sachlich-rechtliche Wahrscheinlichkeitsprognose des § 252 BGB und in der Folge für eine gerichtliche Schadensschätzung nach § 287 ZPO zu geben.
3. Die Eröffnung eines selbständigen Gewerbes, gleich welcher Branche, erfordert eine gewisse Vorbereitung und Planung, insbesondere eine Kalkulation des regelmäßigen Zeitaufwands, der zu erwartenden Einnahmen und Kosten sowie der Steuerbelastung.
4. Auch wenn der Geschädigte seinen Firmensitz im Ausland (hier Dänemark) hat und unstreitig über ein eigenes Firmenfahrzeug und entsprechendes Handwerkzeug (hier Dachdeckergewerbe) verfügt, ist zur Darlegung des Verdienstausfallschadens eine betriebswirtschaftliche Kalkulation und Rechnungslegung erforderlich.
5. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst aus den eigereichten Anlagenkonvoluten zusammenzusuchen. Vielmehr obliegt es dem Geschädigten, hinreichende Anhaltspunkte für den gerichtlich geltend gemachten Erwerbsschaden vorzutragen.
6. Eine Begehrensneurose lässt den Kausalzusammenhang für einen unfallbedingten psychischen Dauerschaden entfallen.
II.
Wandfeuchtigkeit in Altbau als Mangel
BGH, Urteil vom 21. Juni 2024 - V ZR 79/23
Als Wohnung verkaufte Räume im Souterrain eines Altbaus, die bei Gefahrübergang erhebliche Wandfeuchtigkeit aufweisen, sind regelmäßig weder für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung noch für die gewöhnliche Verwendung zum Wohnen geeignet und infolgedessen mangelhaft.
III.
Anspruch eines ehemaligen langjährig beschäftigten Arbeitnehmers auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie während der passiven Phase der Altersteilzeit
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urt. v. 17.05.2024, Az.: 14 SLa 26/24
Ein Arbeitnehmer in der Passivphase der Altersteilzeit wird nicht sachfremd benachteiligt, wenn der Arbeitgeber nur an die noch aktiv Beschäftigten eine Inflationsausgleichsprämie nach § 3 Nr. 11 c) EStG zahlt.
IV.
Annahmeverzugslohn - Zumutbare Arbeit - Schadensersatz bei unterbliebener Zielvorgabe
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.05.2024 - 14 SLa 81/24
1. Eine Arbeit ist nicht zumutbar iSv. § 11 Nr. 2 KSchG, wenn der Nettoverdienst nur geringfügig höher als das Arbeitslosengeld I ist, Kosten für die Arbeitswege mit dem Pkw anfallen, zu befürchten ist, dass der gekündigte Arbeitnehmer seine Expertise bei der anderen Tätigkeit verliert, sowie Probleme bei der Kinderbetreuung bestehen.
2. Bei einer in der Zielperiode pflichtwidrig und schuldhaft unterbliebenen Zielvorgabe ist der Arbeitgeber in gleicher Weise wie bei einer pflichtwidrig und schuldhaft nicht abgeschlossenen Zielvereinbarung zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet, allerdings ohne dass ein Mitverschulden des Arbeitnehmers in Betracht kommt.
V.
Unterrichtung des Betriebsrats bei einer Anhörung zu einer Versetzung eines Arbeitnehmers über deren konkreten Folgen; Aushöhlung von Provisionsregelungen trotz Weitergeltung durch Wechsel von dem Außen- in den Innendienst
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschl. v. 08.05.2024, Az.: 2 TaBV 81/23
Der Betriebsrat ist bei einer Anhörung zu einer Versetzung über deren konkreten Folgen zu unterrichten. Wenn der betroffene Arbeitnehmer trotz Weitergeltung der bisherigen Provisionsregelung aufgrund der veränderten Tätigkeit (Wechsel vom Außendienst in den Innendienst) keine Möglichkeit mehr besitzt, in unverändertem Umfang Provisionen zu erzielen, ist der Betriebsrat hierüber zu informieren.
VI.
Berechtigung des Arbeitgebers zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Mitglieds des Betriebsrats aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist (hier: Konsum von Kokain während der Arbeitszeit)
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urt. v. 06.05.2024, Az.: 4 Sa 446/23
Der Konsum von Kokain während der Arbeitszeit und in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten dar, der einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB abgeben kann.
VII.
Eintragung BGB Gesellschaft
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12.8.24, AZ 14 W 52/24 (Wx)
1.Die Eintragung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als „eGbR“ in das Gesellschaftsregister kann grundsätzlich nicht von der Angabe des Zwecks der Gesellschaft abhängig gemacht werden.
2.Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck sowohl des § 707 Abs. 2 BGB als auch des § 3 Abs. 1 GesRV erfordern die Angabe des Gesellschaftszwecks bei der Anmeldung der Gesellschaft zum Gesellschaftsregister nicht.
3.Auch der in § 26 FamFG verankerte Amtsermittlungsgrundsatz rechtfertigt ohne das Vorliegen besonderer Umstände die Pflicht zur Angabe des Gesellschaftszwecks für die Eintragung der Gesellschaft in das Gesellschaftsregister nicht.
VIII.
Umfang des Versicherungsvertreteranspruchs auf Erteilung von Buchauszug
BGH, Urteil vom 25.7.24, AZ VII ZR 145/23
Der Anspruch eines Versicherungsvertreters auf Erteilung eines Buchauszugs gemäß § 92 Abs. 2 HGB i. V. mit § 87c Abs. 2 HGB umfasst auch Angaben zu prämien- oder provisionsrelevanten Sondervereinbarungen zwischen dem Unternehmer und dem Versicherungsnehmer
IX.
Urheberecht Fototapete
BGH, Urteil vom 11.9.24, AZ I ZR 140/23
1. Eine wirksame Einwilligung in einen Eingriff in Urheberrechte setzt nicht voraus, dass die Einwilligung gegenüber demjenigen erklärt wird, der in Urheberrechte eingreift. Ausreichend ist vielmehr ein Verhalten des Berechtigten, dem aus der Sicht eines objektiven Dritten die Bedeutung zukommt, dass der Berechtigte den Eingriff gestattet.
2. Vertreibt ein Fotograf eine vom ihm angefertigte Fotografie ohne Einschränkungen und insbesondere ohne einen Rechtevorbehalt oder eine Urheberbezeichnung als Fototapete, liegt eine (schlichte) konkludente Einwilligung in alle Nutzungshandlungen vor, die nach den Umständen üblicherweise zu erwarten sind
3. Zu den nach den Umständen üblicherweise zu erwartenden Nutzungen einer Fototapete gehören die Vervielfältigung in Form der Fertigung von Fotografien der mit der Fototapete ausgestatteten Räume sowie die öffentliche Zugänglichmachung dieser Fotografien im Internet durch die Nutzungsberechtigten der Räume selbst sowie durch die von ihnen beauftragten Dienstleister wie beispielsweise Ersteller von Internetseiten oder mit dem Verkauf oder der Vermietung der Räume betraute Makler. Die (schlichte) Einwilligung erstreckt sich insoweit nicht nur auf die öffentliche Zugänglichmachung der Fotografien durch den Dienstleister, die unmittelbar der Erfüllung seines Auftrags dient, sondern umfasst die öffentliche Zugänglichmachung auf Internetseiten des Dienstleisters zum Zwecke der Eigenwerbung wie beispielsweise in Hinweisen auf Referenzprojekte.
4. Die Grundsätze der konkludenten Einwilligung und die Schrankenbestimmung des unwesentlichen Beiwerks gemäß § 57 UrhG sind nebeneinander anwendbar.
5. In dem Umstand, dass ein Fotograf auf seiner als Fototapete vertriebenen Fotografie keine Urheberbezeichnung anbringen lässt, ist regelmäßig ein schlüssiger Verzicht auf sein Urheberbenennungsrecht gemäß § 13 Satz 2 UrhG zu sehen
X.
Pflicht zu Präventionsverfahren auch in Wartezeit nach § 1 KSChG
Landesarbeitsbericht Köln, Urteil vom 12.9.24, AZ 6 SLa 76/24
1. Die Pflicht des Arbeitgebers aus § 167 Abs. 1 SGB IX bei aufkommenden Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis mit einem schwerbehinderten Menschen ein Präventionsverfahren durchzuführen, ist nicht auf den Zeitraum nach Ablauf der Wartezeit aus § 1 Abs. 1 KSchG beschränkt (entgegen BAG v. 21.04.206 - 8 AZR 402/14). Die Pflicht besteht also auch schon in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses.
2. Wenn das Präventionsverfahren nicht durchgeführt wird, kann dies gemäß § 22 AGG die Vermutung begründen, dass eine Kündigung wegen der Behinderung ausgesprochen wurde und damit die Vermutung, dass die Kündigung wegen des Diskriminierungsverbots in § 164 Abs. 2 SGB IX in Verbindung mit § 134 BGB nichtig ist.
3. Wegen der spezifischen Probleme, ein Präventionsverfahren vor Ablauf der "Probezeit" zum Abschluss zu bringen, gilt für die Widerlegung der Vermutung ein abgesenktes Maß der Darlegungs- und Beweislast.
4. Im konkreten Fall war die Vermutung als widerlegt zu betrachten, weil (unstreitige) Tatsachen vorlagen, die gegen die Annahme sprachen, dass die streitgegenständliche Probezeitkündigung (zumindest auch) wegen der Schwerbehinderung des Klägers ausgesprochen worden war.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Schriftleiter mittelstandsdepesche
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